Sonntag, 25. September 2005

Der Pott

Untertitel: Eine Woche Fast-Food
Arbeitstitel: "Was ist los im Pott? Siedlungs- und Wirtschaftsentwicklung im Ruhrgebiet"

Sechs Tage Ruhrgebiet mit den Starrings Dr. K.S. und H.K. liegen hinter mir. Und diese Tage waren nicht nur wegen den 5 Tagen purem Sonnenschein klasse - wenn auch Dr. K.S. manchmal ein bisschen gestresst hat... Ansonsten kann ich eine Exkursion mit ihm nur empfehlen :-)
Fazit: Das Ruhrgebiet hat schon was ganz Eigenes!
Geographisch natürlich höchst interessant. Und am meisten hat es mir der Industrie-Schrott, äh Verzeihung, die Industrie-Kultur!, angetan.
Während es wahrscheinlich noch ein paar Tage dauert, bis ich ausreichend motiviert bin, das offizielle Exkursions-Protokoll zu schreiben, hier ein kleiner, privater Exkursionsbericht ;-)

Tag 1: Hafenrundfahrt - fast wie Urlaub...
Wahlparties am Abend vor der Exkursion sind schlecht. So kann es schließlich aufgrund exzessiven Alkoholkonsums schonmal passieren, dass man in den falschen Zug steigt. Aber wie sagen Dr. K.S. und H.K. so schön: "Ein bisschen Schwund gibt's immer". Unser "Kanzler" jedenfalls hat dann die zwei Stunden auf der Zugtoilette verbracht (H.K.: "Gehen Sie offensiv auf den Schaffner zu!") und stieß dann in Köln wieder zu uns.
Nach dem Beziehen der Zimmer in der Jugendherberge Duisburg, begann der erste Programmpunkt der Exkursion. "Trading Down"-Prozesse in der Duisburger Innenstadt beobachten, dann (wir wussten ja am ersten Tag noch nicht, wie *viel* das ist!) eine dreiviertelstunde Mittagspause (später lief das eher nach dem Motto: "Unser Zug fährt in 10 Minuten von Gleis 3. Sie können die Zeit nutzen, um sich mit Essen zu versorgen!") und schließlich zur Schifferbörse nach Ruhrort, wo unser Kapitän auf uns wartete. Fast wie im Urlaub ließen wir es uns dann die nächsten 3 Stunden bei herrlichstem Sonnenschein, KöPi und Cola auf dem Deck des Schiffes gut gehen und staunten über Kräne, Schiffe, die Schrottinsel und über die schlecht einstudierten Witze unseres Kapitäns (den mit den "Mädchen mit dem Sprachfehler" versteh ich immer noch nicht...).
Ehrfürchtig, wie wir nunmal sind, gab es den Tagesabschluss mit ein bisschen Theorie, der Siedlungsgeschichte Duisburgs und konstruktiver Kritik für die Herren Dr. K.S. und H.K. neben dem Mercatorbrunnen (... Ja!, der mit der Mercatorprojektion...!), auch wenn das Brunnengeplätscher nicht allen gut getan hat (Th.: "Bitte keine längeren Aufenthalte neben plätschernden Brunnen mehr!"). Danach ging's mit einem Teil der Gruppe noch zum fakultativen Teil des Prgrammes über - "Innenhafen anschauen" bzw. "noch einen Hobel bitte"...

Tag 2: "Herr S., was ist das?"

Heute stand Dortmund auf dem Programm. Zuerst ein attraktives Stadtviertel, in nahezu idyllischer, ruhiger Lage mit Einzelfamilienhaus neben Einzelfamilienhaus, und davor gepflegte Gärten. Nachmittags die Dortmunder Nordstadt, ein "Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf", wie es so schön heißt, bzw. ein Stadtteil der zum Programm Soziale Stadt gehört, wie es politisch korrekter heißt. Zuerst ein Vortrag beim Institut für Landes- und Stadtforschung über einen bestimmten Teil der Nordstadt, dann noch ein ausgedehnter Spaziergang durch den Stadtteil, wobei ich mir immernoch nicht sicher bin, ob wir uns verlaufen haben, oder ob unsere Route Absicht war (Dr. K.S.: "Ich habe Sie absichtlich um den Platz herumgeführt, um Ihnen das Highlight für den Schluss aufzuheben").
Zwar gibt es solche Stadtteile auch bei uns (der Emmertsgrund u.a. gehört auch zu diesem Programm Soziale Stadt...), aber alleine geht man dort als gutbehütetes Landei ja doch nicht hin... Jedenfalls fand ich es schon irgendwie beeindruckend: Heruntergekommene Häuser, Leerstände, lauter türkische Läden, Plätze mit Konfliktpotential und natürlich viele Menschen mit Migrationshintergrund (wir wollen ja hier poltitisch korrekt bleiben!) auf den Straßen. Und ich muss zugeben, das "Highlight", war das Rotlichtviertel, direkt hinter dem Bahnhof. Vorgewarnt hat uns Dr. K.S. nämlich nicht - und plötzlich waren da auf der einen Straßenseite so viele sommerlich angezogene Frauen hinter den Fenstern ;-) und auf der Straßenseite gegenüber soviele Männer. Auch wenn ich diese Art der Prostitution ja schon mal in Amsterdam gesehen habe, war ich dennoch überrascht - und irgendwie war es hier auch ganz anders, irgendwie authentischer, denn in Amsterdam drängeln sich in diesen bestimmten Straßen ja mehr Touristen als Freier herum.
Begründet war dieser kleiner Abstecher (falls sich das jemand fragt...) damit, dass die Stadt Dortmund diese Straße als stadtplanerische Maßnahme (unser Thema...!) offiziell für die Prostitution ausgewiesen hat, damit die Damen nicht neben den Spielplätzen und vor der Schule herumstehen.
Das Abendprogramm bestand für den Großteil der Gruppe darin, ehrgeizig und strebsam wie sie nun mal sind, ein weiteres identitätsstiftendes Merkmal des Ruhrgebiets, besser kennenzulernen: BVB gegen Bielefeld im Westfalen Stadion. Statt neben gröhlenden Fußball Fans negativ aufzufallen ("Wer schießt jetzt auf welches Tor?"), hab ich es dann mit Verena und Volker doch vorgezogen, zum Floriansturm zu gehen, wo wir gerade noch rechtzeitig zum Sonnenuntergang oben angekommen sind und so noch einen ganz netten Blick auf Dortmund und eine leckere heiße Schokolade im Drehrestaurant bekamen.

Tag 3: "Herr S., wo sind wir?"

Mit der Bahn ging's zuerst nach Mülheim, von dort mit den geliehenen Rädern bei immer noch bestem Wetter an den linken Niederrhein. Ich muss sagen: Scheeen war's. Auch wenn Dr. K.S. mal wieder ein bisschen zu sehr gestresst hat und viele Fotostops wegen der Angst, danach seine Gruppe nicht mehr zu sehen, nicht möglich waren :-( Dabei gibt es am linken Niederrhein so hübsche Kühe ;-) und das Viertel in dem Dr. K.S. gewohnt hat, hätte ich doch auch gerne mal fotografiert... Ansonsten:
- Fahrradwege gibt es im Ruhrgebiet irgendwie nicht wirklich.
- Auch wenn das Ruhrgebiet mit "grünen Flecken" durchzogen ist, es ist und bleibt ein Verdichtungsraum...
- wahre Geographen hält auch keine Barriere oder Videoüberwachung von Privatgelände auf...!

- 40 Minuten Mittagspause. Ein Traum! - auch dank den McDonalds-Gutscheinen von Verena...
- warten bis die Ampel grün wird? Wie geht das? (gilt für die ganze Exkursion...!)
- jammernde Geographinnen!!!

Tag 4: Abenteuer ÖPNV

ÖPNV ist ein Abenteuer (und spätestens nach 3 Tagen nervig!).
Morgens ging's in den Landschaftspark Duisburg Nord, wo eine Stahlhütte als Industriedenkmal erhalten ist. Und das beste: wir hatten sogar über 90 min. Zeit und das Gelände eigenständig und *in Ruhe* anzuschauen :-)

Wie gesagt, ich find solchen Industrieschrott richtig toll... Rostige Gerüste, dicke Rohre, hohe Türme... Natürlich ist es nicht das gleiche, wie eine schöne Landschaft, aber ich finde, es hat einfach was - auch etwas durchaus Ästhetisches, das man gerne anschaut (und von dem man auch, wenn man ein bisschen Zeit hat, interessante Fotos machen kann...).


Danach ging der Stress los. Jedenfalls für die "Unter Tage"-Gruppe. Es durften nämlich nur 12 (ausgeloste) Leute mit in das Kohlebergwerk. Die anderen sollten sich eigentlich das Bergwerk über Tage anschauen. Dummerweise ist der Kohlebunker ein paar Tage vorher eingestürzt und wegen den Aufräumarbeiten konnte die "Über Tage" Gruppe nicht dorthin und hat sich ein Alternativprogramm ausgedacht...
"Wer sich traut, kann in den 11 min. bis die Bahn kommt, zu dem Supermarkt dort vorne rennen"... Gesagt, getan, ohne zu schauen, in die Regale gegriffen, an der Kasse vorgelassen worden und wieder zurück gerannt... Welch ein Act, nur um an ein bisschen Mittagessen zu kommen ;-) Blöderweise bestand das Essen dann aus Milchschnitte und Keksen... Dann nur noch 3 mal in diverse Bahnen und Busse umsteigen, 20 Minuten durch die ländliche (!) Idylle in Voerdes Norden und wir waren endlich beim Schacht Voerde, der für das 10 km (??) südlich gelegene Bergwerk Walsum Kohle fördert. *Das Highlight* der Exkursion (neben dem Stahlwerk...), möchte ich meinen...
Nach der ersten theoretischen Einführung: wer sie sind, was sie machen und warum wir danach den Bergbau mit ganz anderen Augen betrachten würden, ging's ans Umziehen. Jeder bekam eine eigene, geräumige Kabine mit Dusche (manche Zimmer im Studentenwohnheim sind gerade mal so groß..!) und im Schrank lagen schon die Klamotten (in der richtigen Größe, die wir vorher angeben mussten) bereit... Das Hemd in die Hose, den Helm auf den Kopf und das Tuch um den Hals... Nachdem wir das dann alle mal geschafft haben, gabs noch Lampen, Selbstrettungsfilter, Handschuhe und Brillen... und ach ja, eine Einführung, wie der Selbstrettungsfilter funktioniert...
Eine Unterschrift und eine Lichtschranke weiter ging's dann endlich in den Fahrstuhl, der uns mit 12 m/s (!!!) in 700 m Tiefe befördert hat. Eine weitere halbe Stunde Fußmarsch später, standen wir dann endlich vor der Kohle und dem Hobel. Leider, leider war der aus... Denn: die Kohle wird direkt unterirdisch nach Walsum transportiert und da dort der Kohlenbunker eingestürzt ist, stand hier jetzt der Betrieb still... Trotzdem beeindruckend und auch viel ruhiger, sauberer und kühler, als wenn das Gerät angewesen wäre... Und so saßen wir dann unter den Stahlschilden, die die 700 m Gebirge über uns davon abhielten, auf uns niederzustürzen, auf der Kohle und haben unsere zwei Steiger ausgefragt... "Und, wo geht man hin, wenn man mal muss?" - "Diese Frage stellen Frauen immer!". Naja, Mann hat's einfach, bzw. muss nicht, denn - wie wir von dem Kioskbesitzer in der Nähe erfahren haben - die trinken immer nur eine halbe Cola... Und den Frauen ist es ja eh seit 1920 per Gesetz verboten, unter Tage zu arbeiten...
Kohle durften wir dann auch noch mitnehmen (für den nächsten Grillabend...) und dann ging's wieder zurück. Leider, leider sind auch die Vorher-Nachher Bilder wegen dem kurzzeitig stillgelegten Betrieb nicht wirklich beeindruckend geworden :-( Die Dusche danach tat aber trotzdem gut... Und, ach ja, es gab sogar Schnittchen ;-)

Danach: Sonnenuntergang am Rhein und Diskussionen über die Mie-Streuung, während wir auf den Bus warten mussten. Ich würd ja sagen, es handelt sich um mangelnde Vekehrsinfrastrukturausstattung, wenn ein Bus nur alle zwei Stunden fährt, aber immerhin fährt er; der Busfahrer, der seine Kinder dabei hatte, hat sich auch gefreut, dass mal was los war und überhaupt, war es ja sehr idyllisch dort am Rhein, bei den Kühen und dem Förderturm im Hintergrund... Perfekt wäre es jetzt noch gewesen, wenn der Imbissbudenbesitzer mehr als 1 Currywurst und 3 Portionen Pommes übrig gehabt hätte ;-)

Der Abend endete mit Cocktails (sprich: es war ein sehr lustiger Abend... Stichwort Klipp-klapp Nico...*g*). Im Zug Richtung Duisburg stießen wir (perfekt organisiert oder Zufall?) wieder auf die "Über Tage"-Gruppe und dank dem Schweizer wussten wir heute auch, wo ein bisschen was los ist in Duisburg (am Abend zuvor endete der Abend wegen geschlossenem Brauhaus und mangels einladender Kneipen in Ruhrort (wo ein gewisser Dr. K.S. unbedingt hinwollte...) nämlich mit einer Pizza an der Imbissbude...). Ein weiterer Dank geht an den Schweizer, weil er es geschafft hat, dass es die erste Runde Cocktails noch zu Happy Hour Preisen gibt :-) Und eigentlich sollten wir ja auch noch der schlechten Busanbindung an die Jugendherberge (letzter Bus um 23.16 Uhr!) dankbar sein... Abfahrt von der Jugendherberge morgens um 8 Uhr ist einfach unchristlich!

Tag 5: nochmal Menschen mit Migrationshintergrund
Programm am Vormittag: Besichtigung des Stahlwerks von Thyssen-Krupp in Bochum. Sehr interessant, beeindruckendes Feuerwerk, nach zwei Stunden Fertigungsstraße, Walzen und Coils zuviel Input für mich. Und: man durfte keine Fotos machen, weil Thyssen-Krupp Angst vor Industriespionage der Chinesen hat!!!
Auf dem Rückweg musste Dr. K.S. dann die Gruppe noch ein bisschen motivieren (ich überlege noch, ob Sklaventreiber oder Schäferhund der bessere Vergleich ist...), damit wir auch die Bahn noch erwischen. Bester Satz von Dr. K.S. an diesem Tag, als ein Teil der Gruppe gerade bei rot über eine (vielbefahrene) Straße gelaufen ist: "Riskieren Sie doch nicht Ihr Leben".
Halloooo? Wir gehen schon die ganze Zeit über sämtliche Ampeln bei rot - und zwar unter seiner Führung... denn wir wissen ja inzwischen:
Eine Ampel, die länger als 2 sec. rot ist, ist kaputt!
Naja, Bahn ohne Schwund der Gruppe erwischt, 10 Minuten Zeit für Nahrungsaufnahme in Essen am Bahnhof, dann weiter ins Stadtteilmanagement-Büro von Essen-Altendorf. Kurze Einführung, dann selbständige Beobachtungsaufgabe in Gruppen... und dann: Ende des Prgramms um 16.30 Uhr...!!! Ich staune ;-)
Da das Abendprogramm eh schon die halbe Woche lang diskutiert wurde, war eigentlich für die meisten klar, dass es in die Düsseldorfer Altstadt geht. Tja, und die hat wohl nicht zu unrecht, den Ruf als längste Theke der Welt... ;-)
Irgendwann, nach ein paar Irrungen und Wirrungen und Diskussionen sind wir schließlich im Knoten gelandet, haben dort den Altersschnitt sowie den gute Laune-Pegel gehoben und ordentlich gefeiert und auf Bänken getanzt ;-) Der gute Vorsatz von uns Mädels, mit dem Zug um 0.55 Uhr zurückzufahren, wurde schnell über den Haufen geworfen, und zwei Stunden später schließlich hatten wir unsere Mühe und Not, die Jungs zum Bahnhof zu bringen. Natürlich wusste passenderweise keiner von uns, wo der ist... Irgendwie haben wir's trotzdem geschafft - und dank Verspätung des Zuges und Tatjanas pädagogischen Fähigkeiten - kamen sogar Sigi und Thorsten noch rechtzeitig zum Zug...
Warum hat man um 4 Uhr morgens eigentlich immer Heißhunger auf Döner oder Pommes???

Tag 6: müde Gesichter, müde Beine...

nix mehr los, alle müde nach knapp 3 Stunden Schlaf und noch dazu Regen.
Zum Glück hat Dr. K.S. das bestimmt schon geahnt und das Programm heute war relativ lässig: Oberhausen Innenstadt, dann auf den Gasometer, dort oben eine kleine, Abschlussdiskussion (oder war es doch ein Abschlussmonolog von H.K. während Dr. K.S. schon verträumt auf's CentrO geschaut hat und sich auf's Shoppen gefreut hat??) und dann 2 Stunden zum shoppen, essen, gucken... Auf's Essen hat sich jeder erstmal gestürzt - endlich der ersehnte Döner ;-), zum Shoppen hatte irgendwie *keiner* Lust...
...und dann... endlich die ersehnten 2 Stunden im Zug nach Frankfurt... *schlafen!!*

Keine Kommentare: